Bundesverein Impfgeschädigter e.V.

Selbsthilfe impfgeschädigter Personen

und ihrer Familien

Erfahrungsbericht 3

Narkolepsie nach Schweinegrippe-Impfung

Im Herbst 2009 habe ich mich gegen Schweinegrippe bei meinem Hausarzt impfen lassen. Ich war frisch zum Studium in die Stadt gezogen. Von klein auf hatten meine Eltern dafür gesorgt, dass ich alle empfohlenen Impfungen mitnehmen, mein gelber Impfpass sah vorbildlich aus. Einige Jahre zuvor hatte ich auch die damals gerade auf den Markt gekommene HPV-Impfung erhalten. Bei keine dieser Impfungen, die ich während meiner ersten zwei Lebensjahrzehnten bekam, waren – von leichten, zu erwartenden Beschwerden direkt im Anschluss an die Impfung (Schmerzen an der Einstichstelle, Abgeschlagenheit) - irgendwelche Nebenwirkungen aufgetreten. Folglich hatte ich auch keinerlei Bedenken mich gegen die Schweinegrippe impfen zu lassen, als diese für Menschen mit zahlreichen und wechselnden Kontaktpersonen (also dem typischen Studenten, der mit mehreren anderen 100 tagtäglich im Hörsaal sitzt) empfohlen wurde. Und wie erwartet, gab es auch hier keine nennenswerte Reaktion meines Körpers auf die Injektion – dachte ich zumindest….

 

Über ein Jahr später machte mich ein Kommilitone zum ersten Mal darauf aufmerksam, dass mir in Vorlesungen oder Seminaren die Augen zufallen und ich offensichtlich in eine Art Sekundenschlaf fallen würde. Mir selbst war nur aufgefallen, dass ich mich hinterher häufig an einzelne Präsentationsfolien eines Vortrags gar nicht erinnern konnte, obwohl ich der Meinung war, die ganze Zeit über wach gewesen zu sein. Beim Durchschauen meiner Mitschriften aus solchen Vorlesungen fielen mir dann auch Stellen auf, wo ich ganz offensichtlich weggedöst sein musste: die Schrift wurde ganz plötzlich stark unleserlich oder es ergab inhaltlich schlicht keinen Sinn.

 

Auch abends beim Fernsehen auf der Couch schlief ich nun öfter ein, etwas, das mir zuvor auch nur höchst selten passiert ist. Aber gut, ein anstrengendes Vollzeitstudium in der eigenen Wohnung mit Nebenjob usw. ist natürlich nicht zu vergleichen mit der Schulzeit zuhause bei Mama und Papa. Also lässt man beim Haus-arzt mal ein Blutbild machen, ob nicht ein zu niedriger Eisenwert oder veränderte Schilddrüsenhormone verantwortlich sein könnten für die neue Müdigkeit. Ergebnis: keinerlei Auffälligkeiten. Als ich dann während eines mehrwöchigen Strandurlaubs mit definitiv ausreichenden Mengen Nachtschlaf trotzdem nie mehr als ein paar Seiten des Krimis schaffte, bevor mir wieder die Augen zufielen, fing ich selbst an tiefer zu recherchieren. Mein Studium mit einem medizinischen Schwerpunkt kam mir hier natürlich sehr entgegen. Eine Depression schloss ich für mich selbst aus. Schließlich landete ich bei Narkolepsie. Und plötzlich machten Kleinigkeiten, die mir zwar aufgefallen waren, die ich aber niemals mit meinen Einschlafattacken in Verbindung gebracht hätte, einen Sinn: die sehr realistischen Albträume gleich zu Beginn der Nacht, das gelegentliche unwillkürliche Absacken meines gehobenen Armes beim Lachen zusammen mit einem Gefühl als würden meine Gesichtszüge kurz entgleiten. Alle „Symptome“ zusammengenommen hatte man hier die klassische Trias einer Narkolepsie mit Kataplexien. Mein Alter passt ebenfalls perfekt, häufig zeigen sich die ersten Anzeichen dieser seltenen Erkrankung erstmals im frühen Erwachsenenalter. Auf eine korrekte Diagnose warten die Betroffenen leider oft jahrzehntelang. Hier hatte ich selbst jedoch großes Glück, an einen Hausarzt zu geraten, der mich nicht für vollkommen durchgeknallt bzw. einen typischen, hypochondrischen Medizinstudenten hielt. Er nahm mich ernst und überwies mich in die Neurologie des städtischen Klinikums, die auch über ein Schlaflabor verfügte. Die Bestätigung meiner eigenen Verdachtsdiagnose dort war dann - 30 Monate nach der verhängnisvollen Schweinegrippe-Impfung - erstmal einfach nur eine Erleichterung, so seltsam das womöglich klingen mag. Aber natürlich zweifelt man immer auch selbst ein bisschen an der eigenen Wahrnehmung.

 

Ich wurde medikamentös eingestellt, vorerst nur mit einem Mittel gegen die Tagesschläfrigkeit, da meine durch positive Emotionen ausgelösten Kataplexien zum Glück nur sehr selten auftraten und nie zu einem völligen Zusammensacken o.ä. führten. Ein im Krankenhaus durchgeführte HLA-Typisierungstest zeigte, dass ich jenen Genotyp aufwies, der bei den allermeisten Narkolepsie-Patienten nachgewiesen wird. Allerdings besitzt etwa jeder fünfte Gesunde ebenfalls diesen Genotyp. Der HLA-Typisierungstest eignet sich in diesem Zusammenhang also nur als bekräftigendes Element.

 

Bis dahin hatte ich noch keine Verbindung zwischen meiner Narkolepsie und der lang zurückliegenden Schweinegrippe-Impfung gesehen. Nun aber gab es die ersten Berichte aus den nordischen Ländern, wo eine ungewöhnliche Häufung neuer Fälle der Erkrankung festgestellt wurde. Der Verdacht stand im Raum, dass es hier einen Zusammenhang mit dem Schweinegrippe-Impfstoff eines bestimmten Herstellers gab. Auch mir wurde damals bei der Impfung ein Präparat dieses Herstellers verabreicht. Allerdings war der Zeitabstand zwischen Impfung und Diagnose bei mir größer, als die in vielen der nordeuropäischen Berichte genannten wenigen Monate.

 

Schließlich konnte jedoch eine Studie zeigen, dass das eingesetzte Vakzin Bestandteile enthielt, die starke Ähnlichkeit zu einem auf den Orexin-produzierenden Zellen im Gehirn vorhandenen Protein aufweisen. Eben diese Zellen werden bei der Narkolepsie vom eigenen Immunsystem angegriffen, was zum Abfall der Orexinkonzentration im Liquor und in der Folge zur symptomatischen Ausprägung der Erkrankung führt.

Ich erfuhr von Fällen, in denen Betroffene den Hersteller auf Schadensersatz verklagen oder einen Impfschaden gegenüber dem Bund gelten machen wollten. Das Thema Impfschaden stand dann jedoch für längere Zeit bei mir hinten an, auch weil ich - gut medikamentös eingestellt und in der Großstadt nicht angewiesen auf das eigene Auto – sowohl mein Studium als auch die anschließende Promotion erfolgreich absolvieren konnte. Ende 2020 machte ich dann aber doch einen Antrag soweit fertig und schickte ihn ab. Bei der Beratung zuvor hatte Frau Gerlinger mich schon darauf hingewiesen, dass es in den wenigsten Fällen mit diesem ersten Antrag erledigt ist. Ich sollte mich vielmehr auf einen womöglich über mehrere Jahre dauernden Prozess einstellen.

 

Aber tatsächlich erhielt ich nun - neun Monate später - den behördlichen Anerkennungsbescheid für meinen erlittenen Impfschaden.

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